BGE 4A_124/2020: Die Ausdehnung einer Schiedsklausel
Im Urteil vom 13. November 2020 entschied das Schweizer Bundesgericht in einer internationalen Schiedsangelegenheit über die Zulässigkeit der Ausdehnung einer Schiedsklausel auf eine Drittpartei. Dabei überprüfte es die rechtliche Würdigung des Erklärungsverhaltens der mit einzubeziehenden Partei nach dem Vertrauensprinzip durch das Schiedsgericht frei. (E.3.3.) Wichtig war insbesondere die folgende Aussage des Bundesgerichts: «Das Schiedsgericht ist für die Bindung der Beschwerdeführerin an die im V.________ Contract enthaltene Schiedsklausel nicht etwa von tatsächlich übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien ausgegangen, sondern hat eine Ausdehnung der Schiedsklausel auf die Beschwerdeführerin gestützt auf eine Auslegung ihres Erklärungsverhaltens nach dem Vertrauensprinzip bejaht.“
Grundsätzlich ist eine Ausdehnung einer Schiedsklausel auf nicht-Unterzeichner nicht neu. Da ein Schiedsverfahren jedoch den Zugang zu den Gerichten ersetzt, ist zur Sicherung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (gemäss EMRK und Verfassung) notwendig, dass der Einbezug in Schiedsvereinbarungen mit Augenmass geschieht. Relativ einfach geschieht dies bei Rechtsnachfolgen, wie der Abtretung oder der Schuldübernahme.
Jedoch kann eine Schiedsklausel auch noch weiter ausgedehnt werden. So sagte das Bundesgericht: „Auch bei einem Dritten, der sich in den Vollzug eines Vertrags mit einer Schiedsklausel einmischt, wird sodann angenommen, er habe der Schiedsklausel durch konkludentes Handeln zugestimmt (BGE 145 III 199 E. 2.4 S. 202; 134 III 565 E. 3.2 S. 568; 129 III 727 E. 5.3.2 S. 737).“ E 3.3.1.
Im Fall 4A_124/2020 handelte es sich bei der mit-einbezogenen Partei um eine Zulieferin. Zulieferer sind bekanntermassen in die Abwicklung von Verträgen Dritter zu einem gewissen Mass involviert, insbesondere, wenn es sich um Kernkomponenten handelt oder Wartungsleistungen durch den Zulieferer an dieser Komponente.
Die Beschwerdegenerinnen hatten sich im Schiedsverfahren erfolgreich auf folgende Fakten gestützt
- Teilnahme der Zulieferin an gewissen Vertragsverhandlungen
- Identität der Gewährleistungsbedingungen im Hauptvertrag und dem Zulieferervertrag
- Entsendung von Support-Personal bei Problemen mit der Komponente (hier ein Dieselmotor für ein Kraftwerk)
- Abstimmung der Zahlungsbedingungen in den Verträgen aufeinander
Das Bundesgericht befand zu Recht, dass die Identität von Gewährleistungsbedingungen und Abstimmung von Zahlungsbedingungen aufeinander nicht ausreichten, um eine Zustimmung zur Schiedsklausel durch konkludentes Verhalten zu konstruieren. Dies überzeugt, da es keine Begründung für den Hauptlieferanten gibt, weniger oder mehr Garantien oder Leistungen an den Vertragspartner zu geben, als man selbst erhält. Das gleiche gilt für die Zahlungen, die möglichst ohne Verluste für den Hauptlieferanten ablaufen sollen.
Wieder zu Recht befand das Bundesgericht, dass keine ausreichende Einmischung und damit konkludente Zustimmung zur Schiedsklausel darin lag, dass die der Zulieferer bei den ersten Vertragsverhandlungen anwesend war. Eine zentrale Komponente von Vertragsverhandlungen sei die Leistungsfähigkeit der Kernkomponente sowie deren Kosten und zeitliche Verfügbarkeit. Es entspräche eher der Lebenserfahrung, dass die Verzögerungen, die durch Serienverhandlungen hervorgerufen werden, hier effizient vermieden wurde.
Die Ausdehnung der Schiedsklausel auf die Zulieferin auf Grund einer „Vermischung von Sphären“ und nicht nur durch konkludente Zustimmung wurde vom Bundesgericht abgelehnt. Die Beschwerdegegnerin hatten sich im Schiedsverfahren erfolgreich auf die folgenden Fakten gestützt:
- ähnliche Firmen und einer
- zeitweiligen Überschneidung der Unternehmensführungen.
Da sich jedoch unterschiedliche Firmenadressen, unterschiedliche Standorte und Fabriken und ähnliche Faktoren mit diesen beiden Überschneidungen verbanden, sah das Bundesgericht keine Vermischung von Sphären.
Des Weiteren war auch die Ausübung von gewissen im Hauptvertrag vorgesehenen Rechten, wie die Besichtigung und der Ersatz von Teilen nicht als „Einmischung in den Vertrag“ sondern vielmehr als eigene vertragliche Verpflichtung aus dem Subunternehmer/Zuliefervertrag zu sehen.
Eine Einbindung als Subunternehmerin oder Zulieferin zum genannten Ausmaß reicht demnach nicht aus, um eine Schiedsvereinbarung auf die Zulieferin zu erweitern.
Dieser richtige Entscheid des Bundesgerichts dient dazu, die Anforderungen an die Ausdehnung einer Schiedsklausel auf Dritte im Bereich der Vertragserfüllung noch einmal darzustellen und klar zu machen, dass eine Ausdehnung auf Dritte nur in wenigen klar umrissenen Fällen vorgenommen werden sollte.