
Der Weg zum produktiven Selbstzweifeln
Frauen (ver)zweifeln
Die Internationale Hochschule Bad Honnef/Bonn (IUBH) fand in einer Studie 2017 heraus, dass Frauen sich im Beruf selbst weit niedriger bewerten als die Menschen um sie herum. Je höher die Position, desto markanter das Problem, denn Frau ist von so vielen bewundernswerten Menschen umgeben, dass ein Dazugehörigkeitsgefühl nicht recht aufkommen will. Hinzu kommt, dass Frau noch immer mehr zur Bescheidenheit erzogen wird. Egal, was Frau erreicht, es ist nie genug. Häufig bildet sich Frau ein, Glück gehabt zu haben, nur durch Charme oder Beziehungen etwas erreicht zu haben. Das Hochstapler-Syndrom winkt Frau immer zu.
Die Kehrseite der Medaille
Selbstzweifel haben dennoch ihren Platz im Berufs- und Privatleben. Sie zu verteufeln wäre falsch. Der Ansatz, immer sein Bestes zu geben, kann motivierend wirken. Ich selbst empfinde es noch dazu als geradezu furchterregend, wenn Menschen nicht bei sich selbst Ursachen suchen und Verbesserungspotenziale finden, sondern sich für perfekt halten. Wie soll ein perfekter Mensch weiter wachsen? Selbstzweifel an sich sollten meiner Meinung nach nicht ganz aus dem Leben verbannt werden, denn sie sind ein Teil der Selbstreflexion.
Aussen und innen
Menschen, die an zu vielen Selbstzweifeln leiden, verlieren die Fähigkeit, eigenständig und objektiv über ihre Leistungen und Fähigkeiten zu urteilen. Die Bestätigung wird im Aussen gesucht, weil Frau sich selbst nicht (mehr) traut. Im Berufsleben wird dies noch mehr bestärkt. Beförderungen kommen von aussen, Kunden kommen von aussen, Preise und Ehrungen kommen von aussen. Wer sich gut verkauft, der kommt weiter, und Selbstzweifler kommen dabei oft unter die Räder.
Muster ändern
Dieses Muster zu ändern, insbesondere im Berufsleben, ist nicht einfach, aber es geht. In meinem, diesen Winter erscheinenden Buch, „Projekt: Ich; Ziel: Sein“ beschreibe ich Massnahmen, die man solchen Selbstzweifeln entgegensetzen kann. Neben den typischen Gegenmassnahmen wie das tägliche Auflisten und Visualisieren positiver Ereignisse und Ergebnisse oder der Suche nach dem Erlernten aus jeder Situation gibt es dort noch viele weitere Tipps zum Thema.
Masshalten
Wie jedoch schon erwähnt: Wie mit allem anderen im Leben – auch dem Guten – gilt es, eine Balance zu finden, also Masszuhalten. Eine Umgestaltung der dem Selbstzweifel zugrunde liegenden Frage „Bin ich gut genug?“ und die Beobachtung, zu welchem Zeitpunkt die Selbstzweifel auftauchen, erleichtern die Veränderung von Selbstzweifeln. Diese Veränderung ist ein Weg von destruktiven Selbstzweifeln zu produktiven Selbstzweifeln. Masshalten bedeutet für mich sehr viel Verschiedenes: Unabhängig von der Ursache eines Erfolgs feiere ich diesen Erfolg. Das muss keine grosse Party sein. Sehr zum Amüsement meiner Mitmenschen kann ich zum Beispiel einfach eine Minute
lang in eine Song-and-Dance-Routine verfallen, einfach, um mich zu freuen und dieser Freude Ausdruck zu verleihen. Diese ausgedrückte Freude soll einen Gegenpol für die nagenden Zweifel, ob es nicht hätte besser sein können oder ich nur Glück hatte, bilden. Masshalten bedeutet auch, dass ich den Zweifeln zwar Raum gebe, aber auf Muster, Dauer und Wiederholung achte. Sobald die Zweifel anfangen zu kreisen, sich zu wiederholen oder zu lange anzudauern, versuche ich eine geistige Vollbremsung.
Vollbremsung
Diese Vollbremsung vollziehe ich, indem ich erst eine Liste von allem Positiven schreibe, dann von dem, was die Zweifel mir sagen. Wenn ich die Selbstzweifel-Liste geschrieben habe, werde ich zu meiner eigenen Anwältin mit entweder objektiven Gegenargumenten oder dem daraus Gelernten, was ich das nächste Mal anders machen kann. So wird aus Selbstzweifel Selbstreflexion, und es werden wichtige Verbesserungspotenziale entdeckt.
Fazit:
Für mich war Selbstzweifel schon immer ein Teil meines Lebens. Manchmal kann ich damit besser umgehen, manchmal schlechter. Wichtig für mich ist, dass Selbstzweifel etwas sehr Nützliches sein kann. Ihn zu verteufeln wäre meiner Meinung nach falsch, denn zum Teil kann er angebracht sein, zum Teil schlicht und ergreifend nur: hilfreich.